Auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall gab es eine heiße Diskussion
zum
Änderungsantrag E3.001-EA002.
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aus dem Tagesprotokoll
https://www.igmetall.de/download/20191011_2019_10_11_GWT_2019_
Tagesprotokoll_fin_1__b018a662a24d9dfbbcda4d1bb3410aef9607f8b9.pdf
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24. Ordentlicher Gewerkschaftstag Freitag, 11. Oktober 2019
Eva Stassek, Sprecherin der Antragsberatungskommission
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antragstellerin möchte den Antrag E3.001
im Kapitel
2.6.2 „Tarifbindung stärken“ ab der Zeile 344 um einen Passus ergänzen, den
Ihr in
OpenSlides sehen könnt. Der letzte Satz, in dem es heißt: „Für die IG Metall
gilt durchgängig
der Grundsatz, dass Tarifpolitik die Aufgabe hat, vorhandene gesetzliche
Regelungen zu
verbessern und diese nicht über tarifdispositive Regelungen in
Tarifverträgen zu
verschlechtern.“, beschreibt die gewünschte Haltung der IG Metall zu diesen
vom
Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten.
Nach intensiver und auch kontroverser Diskussion in der ABK empfiehlt die
ABK den Antrag
zur Ablehnung; denn zum einen ist der dort formulierte Grundsatz eine
Selbstverständlichkeit
der Verantwortlichen in Verhandlungen in der Herangehensweise an das Thema.
Darüber
hinaus muss in Tarifverhandlungen im konkreten Fall einer komplexen
Situation durchaus
abgewogen werden, ob der Verstoß gegen einen Grundsatz für die betroffenen
Kolleginnen
und Kollegen nicht doch von Vorteil sein kann.
Deswegen empfehlen wir die Ablehnung.
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Eva. – Hierzu gibt es mehrere Wortmeldungen. Als Erster spricht Frank
Grommeck
aus der Geschäftsstelle Frankfurt mit der Delegiertennummer 01/0124 und
anschließend
Ralf Köhler aus der Geschäftsstelle Neustadt mit der Delegiertennummer
01/0150. Bitte,
Frank.
Frank Grommeck, 01/0124
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Aufgrund anhaltender Tarifflucht gehört
es inzwischen
auch zu den Zielen der Bundesregierung, die Tarifbindung zu stärken. Das
steht so auch im
Koalitionsvertrag. Um dieses Ziel zu erreichen, scheint allerdings kein
Mittel abwegig genug
zu sein. Und der Deal ist ganz einfach: Die Unternehmen treten dem
Arbeitnehmerverband
bei, und im Gegenzug erhalten sie die Möglichkeit, bestehende Gesetze
mittels Tarifvertrag
zu unterlaufen. Normalerweise würde hier das Günstigkeitsprinzip eine
Schlechterstellung
per Tarif verhindern, aber genau hier, Kolleginnen und Kollegen, setzt der
Hebel des
Gesetzgebers an, und dieser Hebel hat einen Namen: tarifdispositive
Regelungen. Diese
tarifdispositiven Regelungen zerstören das Fundament all dessen, was uns
lieb und teuer ist,
(Beifall) und zwar die Regelungen zu Arbeitnehmerüberlassung,
Kündigungsfristen,
Mindestlöhnen, Arbeitszeitgesetz und so weiter.
Kolleginnen und Kollegen, wer sich der Brisanz dieses Themas bisher nicht
bewusst war,
den müssen wir heute wachrütteln. Ich bitte Euch daher, der Empfehlung
„Ablehnung“ der
Antragsberatungskommission nicht zu folgen (Beifall) und stattdessen diesen
wichtigen
Ergänzungsantrag der Geschäftsstelle Salzgitter-Peine zu unterstützen.
Kolleginnen und
Kollegen, ich bitte Euch, heute hier und jetzt durch das Heben dieser
Stimmkarte im richtigen
Moment dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft Tarifverträge als Schutzschirm
und nicht als
Bedrohung wahrgenommen werden. – Ich danke Euch. (Beifall).
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24. Ordentlicher Gewerkschaftstag Freitag, 11. Oktober 2019
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Frank. – Wie ich angekündigt habe, spricht jetzt Ralf Köhler. Es hält
sich Matthias
Wilhelm aus dem Beirat mit der Nummer 03/0032 bereit. – Bitte schön, Ralf.
Ralf Köhler, 01/0150
Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wie schon
angesprochen worden
ist, müssen wir uns die Frage stellen, welchen Grundsätzen wir in der
Tarifpolitik folgen
wollen. Dieser Souverän, dieser Gewerkschaftstag, hat die Aufgabe, diesen
Grundsatz klar
und deutlich zu beschreiben. „Grundsatz“ bedeutet, es sind nach Maß der
Dinge natürlich
Ausnahmen möglich. Aber ich will Euch ein paar Argumente nennen, die meinen
Vorredner
unterstützen, und Euch bitten, die Empfehlung der ABK deshalb abzulehnen.
Wenn wir die Büchse der Pandora öffnen und die Politik auffordern,
Rahmenbedingungen zu
schaffen, die die Tarifbindung erhöhen, dann muss man sich auch die Frage
stellen, ob uns
in politischen Mehrheitsverhältnissen tarifdispositive Regelungen angeboten
werden, weil es
der kleinste gemeinsame Nenner ist und wir uns möglicherweise in
Situationen, wo wir selbst
nichts an den Füßen haben, um Tarifstandards durchzusetzen, auf diesen Weg
in der
Tarifbindung begeben.
Das ist aus meiner Sicht nicht zielführend, weil außer den genannten Punkten
nämlich auch
gilt – wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags in einer
Veröffentlichung
vom November 2018 festgestellt hat–, dass von Tarifverträgen nach § 3 des
Tarifvertragsgesetzes grundsätzlich nur die tarifgebundenen Parteien erfasst
werden. Aber
charakteristisch für diese tarifdispositiven Regelungen ist ja gerade, dass
im Geltungsbereich
eines solchen Tarifvertrages auch nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern
ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet wird, dieses Recht anzuerkennen.
Was ist denn da die Folge? Das widerspricht doch ganz eindeutig dem
Grundsatz unserer
Tarifpolitik, dass diese Regelungen vor allem den Mitgliedern zugutekommen
sollen. Daher
ist es mehr als begründungsbedürftig, wie hier eine beabsichtigte Stärkung
der Tarifbindung
ansetzen soll. Eher das Gegenteil ist der Fall; denn auf Arbeitnehmerseite
setzt dieses
tarifdispositive Recht nämlich da an, was dem Arbeitnehmer eigentlich als
gesetzlicher
Schutz zusteht. Wenn das jetzt entzogen wird, wird der Anreiz formuliert,
gerade nicht
Mitglied der Gewerkschaft zu werden oder zu bleiben, und er gefährdet
insoweit die
Tarifbindung. Und auf der Arbeitgeberseite ist diese Anreizwirkung,
Tarifbindung
einzugehen, dadurch ausgehebelt, dass sich auch Unorganisierte auf diese
abweichenden
Regelungen durch Vereinbarungen beziehen können. Beides kann gerade nicht
unser
Interesse sein.
Daher gilt, wie übrigens auch Professor Thorsten Schulten, Leiter des
Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Instituts der Böckler-Stiftung, in dem Vortrag am
4. April 2019 beim
Deutschen Arbeitsgerichtsverband festgestellt hat:
Bei Abweichung vom Gesetz
durch
Tarifverträge sind außer bei der Leiharbeit keine positiven Auswirkungen auf
die
Tarifbindung erkennbar.
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Lasst uns deshalb klar und deutlich sagen, wie es Jörg Hofmann selbst
formuliert hat:
Tarifverträge sollen für Mitglieder gelten. Weg mit der Bezugnahmeklausel,
und das gilt auch
nur für uns, wenn die Verbesserungen zugunsten der organisierten
Beschäftigten gelten und
nicht mit Abweichungen nach unten vereinbart werden. (Beifall)
Es gibt Wege zur Stärkung der Tarifbindung, und wir sollten weiterhin klar
und deutlich in
Politik und Gesellschaft formulieren: Allgemeinverbindlichkeit, Tariftreue,
Nachbindung,
Änderung der Handwerksordnung, Verbot von OT-Mitgliedschaften. Und von unten
natürlich
durch unsere Kraft systematische Erschließung von Mitgliedern und
Mobilisierung in den
Betrieben. Der DGB hat in seiner Position 2017 gesagt: Die Stärkung der
Tarifbindung über
tarifdispositive Regelungen kann nur ein Weg sein, wenn sie nicht zur
Aushöhlung
gesetzlicher Mindeststandards führt. Daher gilt unser Grundsatz aus der
Satzung, § 2:
Erzielung günstiger Entgelt- und Arbeitsbedingungen durch Abschluss von
Tarifverträgen für
unsere Mitglieder. Dabei bleibt es. An diesem Grundsatz sollten wir hier
festhalten. (Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Ralf. – Wie angekündigt, spricht jetzt Matthias Wilhelm und im
Anschluss Martin
Weiss aus der Geschäftsstelle Frankfurt am Main mit der Delegiertennummer
01/0126. Bitte
schön.
Matthias Wilhelm, 03/0032
Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Vorredner
haben ja zu
der Frage der Bedeutung dieses Antrags schon etwas gesagt. Ich will mich
kurzfassen und
noch einmal sagen: Für mich ist nicht erkennbar, warum die IG Metall nicht
einmal in der
Lage ist, als Grundsatz – wo wir doch alle wissen, dass im Zweifel auch
davon abgewichen
werden kann – ein politisches Ziel, das wir anstreben, zu verfolgen. Das
geht mir nicht in den
Kopf. (Beifall)
Deshalb bitte ich, die politischen Ziele klarzustellen. Die Praxis ist immer
variabel. Aber wir
sollten doch den Ehrgeiz haben, das Bestmögliche für unsere Kolleginnen und
Kollegen
herauszuholen. So ist der Schlusssatz in diesem Änderungsantrag auch
formuliert. Deshalb
bitte ich, die Empfehlung der ABK, wenn sie so bleibt, abzulehnen und für
Annahme zu
stimmen. Aber vielleicht kommt die ABK ja noch zu einer veränderten
Empfehlung. Darüber
würden wir uns sehr freuen. – Herzlichen Dank. (Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Matthias. – Es spricht, wie angekündigt, als Nächstes Martin Weiss.
Es hält sich
bereit die Kollegin L. A. aus der Geschäftsstelle Salzgitter-Peine mit
der
Delegiertennummer 01/0245. Bitte.
Martin Weiss, 01/0126
Den angesprochenen Schlusssatz des Antrags – das ist ja der entscheidende
Punkt; vorher
gibt es ja nur eine Beschreibung dessen, was jetzt tatsächlich durch den
Gesetzgeber
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gemacht wird – möchte ich gerne noch einmal vorlesen, damit jedem klar ist,
worum es bei
der Entscheidung geht. Der Schlusssatz lautet ja: „Für die IG Metall gilt
durchgängig der
Grundsatz,“ – das ist eben schon betont worden – „dass Tarifpolitik die
Aufgabe hat,
vorhandene gesetzliche Regelungen zu verbessern und diese nicht über
tarifdispositive
Regelungen in Tarifverträgen zu verschlechtern.“
Natürlich kommt jedem von uns der eine oder andere Tarifvertrag sofort in
den Kopf, wo wir
faktisch gewisse Verschlechterungen gemacht haben. Aber zum Beispiel – das
wird oft
genannt – bei der Verkürzung der Ruhezeiten im Tarifvertrag „Mobile Arbeit“
ist dadurch,
dass es am nächsten Morgen eine Möglichkeit gibt, selbst zu entscheiden,
wann Du kommst,
natürlich die Frage, ob das eine tatsächliche Verschlechterung ist.
Auch bei
der Leiharbeit ist
es letzten Endes natürlich eine Frage der politischen Bewertung, wie die
Veränderung zu
sehen ist oder ob es eine Verschlechterung ist. Um diese politische
Diskussion kommen wir
eh nicht herum.
Wir als IG Metall müssen natürlich auf jeden Fall diesen Grundsatz, denke
ich, festhalten,
dass es darum geht, mit Tarifverträgen gesetzliche Regelungen, die als
Mindestschutz da
sind, zu verbessern. Das ist doch völlige Selbstverständlichkeit, die hier
von uns noch mal
entsprechend entschieden werden sollte. (Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Martin. – Wie angekündigt, spricht jetzt Laura Arndt.
L. A., 01/0245
Hallo! Mein Name ist L. A., und ich bin aus der Geschäftsstelle
Salzgitter-Peine. Ich
würde zu dem Thema gerne noch etwas bezüglich der Jugendbildung sagen.
In der Jugendbildung ist unser Grundsatz – das ist wirklich eines der ersten
Dinge, die wir
dort lernen –: Erst kommen die Gesetze, und darauf bauen dann unsere Tarife
auf,
beziehungsweise die Gesetze sind immer bessergestellt. Das wird uns dort so
gezeigt, und
wir lernen das dort so. Damit holen wir auch viele junge Leute in die IG
Metall.
Ich bezweifle, dass wir Vertrauen aufbauen, wenn wir den Leuten in der
Bildung so etwas
sagen und sie dann mitkriegen, dass es andere Regelungen gibt, die dort
festgelegt werden,
Regelungen, die dem nicht entsprechen. Da frage ich mich: Wie kann das sein?
Wir können noch nicht einmal einen Grundsatz daraus machen. Das ist ja keine
festgeschriebene Regelung. Aber wenigstens ein Grundsatz sollte definitiv
daraus entstehen.
Ich habe halt die Befürchtung, dass wir aufgrund des Vertrauensbruchs
langfristig Mitglieder
verlieren oder dass wir aufgrund solcher Dinge keine Mitglieder werben
können. Deswegen:
Wenn nicht wir, wer dann? (Beifall)
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Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Laura. – In der Zwischenzeit sind noch weitere Wortmeldungen
eingegangen. Es
spricht als Nächste Nadine Boguslawski vom Vorstand mit der Nummer 02/0034
und im
Anschluss Uwe Jahn aus dem Beirat mit der Nummer 03/0038. Bitte schön.
Nadine Boguslawski, 02/0034
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ein Grundsatz ist für uns als IG
Metall klar.
Dieser Grundsatz lautet: Wir regeln über Tarifverträge, die wir erkämpfen,
gute
Arbeitsbedingungen und ein gutes Leben in den Betrieben und zwar erst einmal
auch
unabhängig von der gesetzlichen Regelung. Wir haben in der Vergangenheit
erlebt, dass
sich viele gute tarifvertragliche Regelungen später auch in Gesetzeslagen
niedergeschlagen
haben, weil wir diejenigen waren, die das durchgesetzt und erkämpft haben.
Wenn wir jetzt
über Tarifverträge und tarifdispositive Regelungsinhalte in Gesetzen reden,
dann müssen wir
immer schauen: Wie ist im Einzelfall die tarifdispositive Regelung für uns
zu nutzen, und wie
sieht das Gesamtpaket der Regelung aus, in der sie steht?
Der Tarifvertrag zum Mobilen Arbeiten wurde schon genannt. Da haben wir von
dieser
tarifdispositiven Regelung Gebrauch gemacht, um in der Gesamtschau des
Tarifvertrages
zum Mobilen Arbeiten eine gute Regelung zu finden und sie an einer Stelle zu
nutzen: Man
kann die Ruhezeit individuell verkürzen, und es liegt in der Entscheidung
jedes Einzelnen,
dies zu tun. Dürften wir das nicht, müssten wir diesen Tarifvertrag wieder
kippen. Ich habe
da keine Lust drauf, weil ich den Tarifvertrag zum Mobilen Arbeiten ziemlich
gut finde.
(Vereinzelt Beifall)
Wir sind der Souverän, das zu entscheiden und zu diskutieren. Der Grundsatz,
dass
gesetzliche Regelungen unser Mindeststandard sind und wir über
tarifvertragliche
Regelungen erstens mehr machen und es zweitens besser machen können, steht.
Darüber
diskutieren wir sehr lange, sehr hart und sehr ausführlich, auch in den
Tarifkommissionen in
den Tarifgebieten. Ich erinnere mich an die Debatte zum Tarifvertrag Leih-
und Zeitarbeit, die
wir auch im Bezirk Baden-Württemberg geführt haben. Das war nicht einfach.
Auch hier
haben wir letztendlich entschieden, wir nutzen die Möglichkeiten des
Gesetzes, um in der
Gesamtschau den Tarifvertrag zur Regelung von Leih- und Zeitarbeit in den
Betrieben nicht
nur zu verlängern, sondern ihn auch inhaltlich zu verbessern. Von daher
würde ich mir
wünschen, dass wir diesen Grundsatz beibehalten: Wir verbessern über
Tarifverträge
gesetzliche Regelungen, und wir nutzen tarifdispositive Regelungen in
Gesetzen, wenn sie
dazu führen, dass wir in der Gesamtschau ein besseres Ergebnis, einen
besseren
Tarifvertrag für unsere Mitglieder und für unsere Beschäftigten in den
Betrieben abschließen
können. Deswegen bitte ich Euch: Folgt der Empfehlung der ABK! – Danke
schön. (Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Danke, Nadine. – Wie angekündigt, spricht jetzt Uwe Jahn. Anschließend
möchte Jörg
Hofmann sprechen.
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Uwe Jahn, 03/0038
Moin zusammen! Liebe Nadine, Du hast recht – wenn es so wäre. Wenn es so
wäre, dass
tarifdispositive Regelungen immer zu Verbesserungen führen würden! (Beifall)
Aber es ist
ein Gebot der Ehrlichkeit –
da widerspreche ich Martin ganz entschieden –,
anzuerkennen,
wie die Praxis aussieht. Ich habe mich gestern bereits zum Thema Leiharbeit
geäußert. Das
ist nicht interpretationsfähig. Equal Pay ist Equal Pay. Aber unser
Tarifvertrag im Stahl lässt
500 Euro weniger zu. Das ist einfach nur eine Schweinerei. (Beifall) Unser
neuer Tarifvertrag
im Stahl – den gibt es allerdings Gott sei Dank nur in NRW – lässt
Überlassungsdauern von
48 Monaten zu. Das empfinde ich persönlich als eine Zumutung. – Vielen Dank.
(Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Vielen Dank, Uwe. – Es spricht, wie angekündigt, Jörg Hofmann.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender
Lieber Uwe, zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Regelungen – wie alle,
die wir
tarifvertraglich gefunden haben – als Ergebnis einer Bewertung zustande
gekommen sind,
wo Tarifkommissionen demokratisch über das Tarifergebnis abgestimmt haben.
Die haben
deswegen dafür gestimmt, weil sie wohl zur gleichen Bewertung gekommen sind,
die Nadine
gerade skizziert hat: dass unter den gegebenen Umständen die Nutzung einer
solchen
tarifdispositiven Regelung zu einer Verbesserung der konkreten Situation der
Betroffenen
führt. Man kann ja darüber streiten: Stimmt das, oder stimmt das nicht? Das
ist ein Teil der
politischen Debatte.
Aber, Kolleginnen und Kollegen, was ich nicht verstehe, ist die jetzige
Diskussion über den
vorgeschlagenen Ergänzungsantrag, der ja zunächst einmal deswegen von der
Antragsberatungskommission zur Ablehnung empfohlen wurde, weil er im Kern –
aus meiner
Sicht – Selbstverständlichkeiten unseres tarifpolitischen Handelns
beschreibt. Nämlich, wenn
es tarifdispositive Regelungen gibt, sie nur dann zu nutzen und sie in dem
Sinne zu nutzen,
dass dadurch die Arbeits- und Lebensbedingungen der davon Betroffenen
verbessert
werden. Welches andere Selbstverständnis von Tarifpolitik hat denn die IG
Metall als
dieses?
Ich tue mich mit diesem Satz überhaupt nicht schwer. Es war ja bloß die
Frage: Schreibt
man Selbstverständlichkeiten noch mal auf? Wenn es ein großes Wollen gibt,
das
aufzuschreiben, kann man das gerne machen. (Beifall) Aber diskutieren wir
darüber doch
bitte in aller Ehrlichkeit und Offenheit. Welche ist die Position der IG
Metall? Ich möchte das
gerade in diesem Kontext wiederholen.
Wenn wir gegenüber dem Gesetzgeber auftreten und sagen, die Tarifbindung
muss gestärkt
werden, dann wollen wir Regelungen haben, bei denen von vornherein klar ist:
Das ist ein
Vorteil für tarifgebundene Betriebe und Beschäftigte. Beispiel:
Altersteilzeit. Hier gibt es über
den Tarifvertrag eine längere Bezugsdauer und steuerbefreite Zuschläge. Ein
weiteres
Beispiel ist die Lohnfortzahlung beim Krankengeld. Das sind Beispiele, wo
wir
Tarifdispositionen nutzen und wo der Gesetzgeber tarifgebundene Betriebe in
eine klar
bessere Situation als nicht tarifgebundene Betriebe setzt. Wir haben viele
Vorschläge
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24. Ordentlicher Gewerkschaftstag Freitag, 11. Oktober 2019
gemacht, auch im Kontext der Gewährung von Bildungsteilzeit, wenn es zum
Beispiel um die
Frage geht: Wie gehen wir mit Kurzarbeit um, etwa mit der Privilegierung von
Kurzarbeitergeldzuschüssen durch den Gesetzgeber? Wir haben natürlich im
Grundsatz ein
Interesse an tarifdispositiven Möglichkeiten. Wir haben aber kein Interesse
daran – das teile
ich –, wenn der Gesetzgeber angebotsorientiert meint, über
Tarifdispositionen schon von
vornherein die Voraussetzungen für eine Verschlechterung von
Arbeitsbedingungen zu
schaffen.
Zweiter Punkt – das möchte ich dick unterstreichen, und das haben wir im
Grundsatzreferat
vermerkt –: Wenn Tarifdispositionen, dann aber bitte nur für die, die
tarifgebunden sind. Wir
wollen nicht, dass sich jeder allein durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
dann die
Vorteile verschaffen kann, die die Tarifverträge für die konkret
Beschäftigten und die
Betriebe beinhalten. Wir haben da, denke ich, eine klare Position. Wir haben
sie beim Thema
Bezugnahme jetzt noch einmal geschärft. Wir haben sie im Hinblick auf die
Frage
verdeutlicht: Was ist eine aus unserer Sicht sinnvolle Tarifdisposition?
Deswegen tue ich
mich gar nicht schwer, wenn der Text in den Ergänzungsantrag aufgenommen
wird.
Ich
dachte nur, das sei eine Selbstverständlichkeit. Das hat zumindest die
Antragsberatungskommission gedacht. Aber das ist es offensichtlich nicht.
Dann machen wir
das eben so. (Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Vielen Dank, Jörg. – Die ABK – davon bin ich ausgegangen – wird sich jetzt
kurz
zurückziehen und sich nach den letzten Redebeiträgen beraten. Wir bitten um
ein bisschen
Geduld.
(Die Antragsberatungskommission berät sich.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ABK hat sich beraten. Eva, Du hast das
Wort.
Eva Stassek, Sprecherin der Antragsberatungskommission
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so eine Debatte ist immer wieder gut, um
sich noch einmal
auszurichten, um noch mal die Facetten zu beleuchten und um dann noch mal zu
gucken,
was für uns gilt und in welche Richtung wir marschieren. Wir haben uns jetzt
beraten.
Hier sind viele Argumente gebracht worden, aber eines ist ganz klar:
Für uns
gilt der
Grundsatz, dass Tarifpolitik die Aufgabe hat, vorhandene gesetzliche
Regelungen zu
verbessern und nicht über tarifdispositive Regelungen zu verschlechtern.
An
der Stelle ist es
allerdings so, dass wir ab und an noch mal hingucken müssen, was denn
tatsächlich besser
ist für unsere Kolleginnen und Kollegen. Deswegen machen wir Euch folgenden
Vorschlag:
Wir empfehlen die Annahme in geänderter Fassung.
Wir möchten nur ein Wort
streichen,
nämlich „durchgängig“.
Der letzte Satz würde dann heißen:
„Für
die IG Metall gilt der
Grundsatz, dass Tarifpolitik die Aufgabe hat,
vorhandene gesetzliche Regelungen zu
verbessern und diese nicht über tarifdispositive
Regelungen in Tarifverträgen zu
verschlechtern.“
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24. Ordentlicher Gewerkschaftstag Freitag, 11. Oktober 2019
Wir empfehlen Euch also eine Annahme mit Änderung und hoffen, Ihr seid
einverstanden.
(Beifall)
Daniela Cavallo, Sprecherin des Präsidiums
Vielen Dank, Eva. – Ihr habt die geänderte Empfehlung gehört. Sie lautet:
Annahme in
geänderter Fassung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dieser geänderten Empfehlung folgen kann, den
bitte ich
um das Kartenzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall.
Somit haben wir
die Empfehlung einstimmig angenommen. (Lebhafter Beifall)
Ich rufe auf E3.001-EA003 und gebe wieder Dir das Wort, Eva. ...
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